Hochzeitsbild von Emilie und Emil Schöffer, Sammlung Frauennachlässe, SFN NL 21 I

Nach der Ehe: Witwenschaft


Witwenschaft als mögliche nacheheliche Lebensphase ist ebenfalls ein präsentes Thema in Selbstzeugnissen. Dabei liegt der Schwerpunkt je nach Art der Archivalien entweder auf wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekten oder es werden unmittelbare Erfahrungen - der Schmerz nach dem Tod des Ehemannes - und persönliche Zukunftsperspektiven, etwa Vorstellungen vom Witwendasein, beschrieben.


Emilie Schöffer (geb. 1873)

Im Ehevertrag, den der 37-jährige Fabrikant Emil Wehle 1893 mit der 19-jährigen Emilie Schöffer und deren Vater Jacob abgeschlossen hat, werden wirtschaftliche Fragen für den Fall des möglichen Ablebens der Ehefrau oder des Ehemannes exakt geregelt:

6.) Für den Fall, als Herr Emil Wehle ohne Hinterlassung einer leiblichen Nachkommenschaft vor seiner Gattin mit Tod abgehen sollte, gelten nachfolgende Bestimmungen:
a) Tritt dieser Todesfall im Laufe des ersten Jahre nach geschlossener Ehe ein, so erhält dessen Witwe aus der Verlassenschaft nebst ihrem ganzen Heiratsgute per Dreissigtausend Gulden noch einen Theil der Widerlage per Zehntausend Gulden.
b) Tritt dieser Todesfall innerhalb des zweiten Jahres nach geschlossener Ehe oder in späterer Zeit ein, so erhält die Witwe aus der Verlassenschaft des Herrn Emil Wehle nebst ihrem Heiratsgute per Dreissigtausend Gulden auch die ganze Widerlage per Fünfzehntausend Gulden.
7.) Für den Fall, als Frau Emilie Wehle, geborene Schöffer, vor ihrem Gatten und ohne Hinterlassung einer leiblichen Nachkommenschaft mit Tod abgehen sollte, gelten nachfolgende Bestimmungen:
a) Tritt dieser Todesfall im Laufe des ersten Jahre nach geschlossener Ehe ein, so hat Herr Emil Wehle an die Erben seiner verstorbenen Gattin zwei Drittel des in die Ehe zugebrachten Heiratsgutes, somit den Betrag von Zwanzigtausend Gulden o.W. zurückzuerstatten; ein Drittel dagegen fällt ihm als unwiderrufliches Eigenthum zu.
b) Tritt dieser Todesfall im Laufe des zweiten Jahres nach geschlossener Ehe ein, so ist Herr Emil Wehle verpflichtet, den Erben seiner verstorbenen Gattin die Hälfte des in die Ehe eingebrachten Heiratsgutes im Betrage von Fünfzehntausend Gulden ö.W. zurückzuerstatten; die andere Hälfte dieses Heiratsgutes fällt ihm als unwiderrufliches Eigenthum zu.
c) Tritt dieser Todesfall im Laufe des dritten Jahres nach geschlossener Ehe ein, so ist Herr Emil Wehle verpflichtet, den Erben seiner verstorbenen Gattin ein Drittel des empfangenen Heiratsgutes per Zehntausend Gulden zurückzuerstatten, während zwei Drittel desselben per Zwanzigtausend Gulden ihm als unwiderrufliches Eigenthum zufallen.
d) Tritt dieser Todesfall endlich nach Ablauf von drei Jahren nach geschlossener Ehe ein, so fällt dem überlebenden Gatten, Herrn Emil Wehle das ganze in die Ehe eingebrachte Heiratsgut als unwiderrufliches Eigenthum zu, und trifft denselben keinerlei Verpflichtung, das Heiratsgut oder einen Theil desselben an die Erben seiner verstorbenen Gattin zurückzuerstatten. (...)


Irma Huppert (geb. geb. 1889)

Das Thema Witwenschaft ist bestimmend für die Briefe der Federnschückerin Irma Huppert aus Wien an die emigrierten Kinder Franziska und Leopold Huppert. Ihr Ehemann Ferdinand Huppert war kurz vor seiner bevorstehenden Deportation in ein polnisches Konzentrationslager gestorben. Das Ehepaar Huppert hatte seit Jahren nach einer Möglichkeit gesucht, Wien zu verlassen. Jetzt war Irma Huppert  ganz auf sich gestellt:

[ohne Datum.] (...) Habe vom Polderl Brief erhalten worüber ich sehr gerührt war. Erst jetzt nach langen und so often Briefwechsel hat Poldi erfahren das unser innigstgeliebter Papi gestorben ist. Er ist furchtbar verzweifelt deswegen. Auch für dich Franzili wird es sehr schwer sein dieses harte Los. Doch es ist vorbei, und ist leider nicht abzuhelfen und man muß sich dareinfinden. Für mich ist es das schwerste meines Lebens was mich so hart betroffen hat, doch ich bin vernünftig und bin zur Einsicht gekommen man muß es sein. Denn ich will mein zukünftiges Leben nur Euch Kinder widmen und mit Euch glücklich sein. (...)

[ohne Datum.] Mein liebstes Kind! Heute zu Papas' so traurigen Geburtstag will ich dir paar Zeilen schreiben, habe auf deinen kleinen Arbeitstischerl Papa's Poldi Dein und mein Bild vor mir stehen und Blumen Pelagonien und Gedenke an Euch allen. heute fahre ich am Friedhof zu Papi's Grab Blumen pflanzen die ich mir bei einen Gärtner gekauft habe.(...) Mir ginge es auch ganz gut es geht mit nichts ab nur das große Leid um Papili. Er geht mir überall ab. der Arme. Ach Gott, könnte ich Ihm doch bei mir haben. - Wie lange wird es noch dauern bis wir uns wiedersehen das weiß der l.[iebe] Gott. Also hoffen wir aufs beste. Bleibe gesund und tröste dich mein süßes Kind, den ich muß es auch. Sei innigst geküßt deine Mama! Grüße und Küsse an alle Verwandten und Bekannte (...)


Barbara Baumgartner (geb. 1851)

Die Ehe der in Krems als Fuhrunternehmer:innentochter aufgewachsenen Barbara Baumgartner war hauptsächlich unglücklich und die Eltern - und hier v.a. die Mutter Anna Teuschl - mussten mehrere Male (auch finanziell) eingreifen. In ihrem Tagebuch, das entsprechend als Krisentagebuch bezeichnet werden kann, imaginierte Wetti Baumgartner die Rolle der unterstützenden verwitweten Mutter, während sie ihrem Vater zutraute, sich nach dem eventuellen Tod seiner Frau wieder zu verheiraten:

7. Jänner 1877. (...) Ich muß an meine Zukunft denken, daß ich auch für mein Kind sorgen kann, denn mein Unglück und die Gedanken, die da über mich kommen, die bringen mir auch ins Gedächtnis, was geschehen würde wenn ich meine gute, für alles sorgende Mutter verlöre. Dann wäre ich in einer noch schrecklicheren Lage, als ich jetzt bin, denn Vater ist nur zu leichtgläubig und fremden Einflüssen zugänglich, als daß ich darauf rechnen dürfte, daß meine Zukunft doch ihn gesichert würde. (...)
28. Dezember 1878. (...) Für mich und Johann ist es besser, daß das Unglück, welches uns getroffen, nicht die Mutter wegraffte. Vater hätt sicher wieder geheirathet, lebenslustig, wie er war. Mutter thut dies nicht (...)