Auch ein Zwecke der Ehe: Kinder
Das Thema der Mutterschaft bzw. Nachkommen kommt in privatem Schriftgut ebenso zur Sprache wie in amtlichen Dokumenten, so z.B. in Eheverträgen. Eugenische Konzepte werden dabei genauso bemüht wie wirtschaftliches Kalkül:
Emilie Schöffer (geb. 1873)
In einem solchen Ehevertrag, den der 37-jährige Fabrikant Emil Wehle 1893 mit der 19-jährigen Emilie Schöffer und deren Vater Jacob Wehle abgeschlossen hat, wurde neben Wirtschaftlichem auch die Frage nach eventuelle Nachkommen vertraglich geregelt:
12. Mai 1893. 10.) Sind aus der Ehe Kinder vorhanden, so erhält, wenn die Auflösung der Ehe oder die Scheidung (...) aus beiderseitigem Verschulden erfolgt, die Mutter die Kinder weiblichen Geschlechts, während die Kinder männlichen Geschlechts beim Vater zu verbleiben haben. Sind nur Kinder männlichen Geschlechts vorhanden, und die Zahl derselben mindestens zwei, so hat eines hievon jedenfalls die Mutter zu erhalten. Erfolgt jedoch die Scheidung oder Auflösung aus Verschulden eines Theiles, so hat der schuldlose Theil, das Recht, alle Kinder zu sich zu nehmen. Für die Verpflegung und Versorgung aller Kinder hat der Vater zu sorgen und demgemäß für die bei der Mutter verbleibenden Kinder derselben eine seinen Vermögensverhältnissen entsprechende jährliche Alimentation zu leisten.
- Ehevertrag zwischen Emil Wehle, Emilie Schöffer und ihrem Vater 1893, Sammlung Frauennachlässe SFN NL 21 I (Beschreibung im Onlinekatalog)
- siehe dazu u.a. Li Gerhalter (2019)
Tilde Mell (geb. 1884)
Aus einer völlig anderen Sichtweise besprach die zwanzigjährige Wiener Blindenlehrerin Tilde Mell im Jahr 1904 das Thema der Mutterschaft:
28. Jänner 1904. Mein Schönheitsgefühl zwingt mich ja schon zu dem Wunsch, daß nur körperlich schöne und gesunde (...) Menschen geboren werden sollen und ich könnte ein Wesen, das eine Ehe eingeht, indem es ein körperliches Gebrechen verheimlicht und dadurch vielleicht Krüppel oder Idioten als Nachkommen hat nur verachten; (...) weil doch der betrogene Teil (offenbar gewöhnlich die Mutter) um einen großen Teil seines Glückes durch eine solche feige Lüge kommt.
- Tilde Mell, Briefe 1906, Sammlung Frauennachlässe SFN NL 1 (Beschreibung im Onlinekatalog)
- siehe dazu u.a. Monika Bernold und Johanna Gehmacher (2003) und Li Gerhalter (2004)